Gewalt ist ein zentraler Begriff des feministischen Diskurses. Der Vorwurf an Männer Gewalt gegen Frauen auszuüben, spielt eine sehr gewichtige Rolle.
Gewalt im „eigentlichen“ engeren Sinne ist körperliche Gewalt, Gewalt mit Waffen bzw. die Androhung solcher Gewalt. Gewalt fügt physischen Schmerz bzw. körperliche Verletzungen und Beschädigungen zu bzw. droht damit.
Ein Mensch – auch ein Mann!! – auch eine Frau!! – der (die) in diesem Sinne Gewalt ausübt, ist moralisch zu verurteilen, bzw. strafrechtlich angemessen zu belangen – das sollte völlig klar sein. (Ich lasse jetzt mal die bekannten Ausnahmen wie Notwehr, rechtlich legitime Polizeigewalt usw. außen vor.)
Es werden allerdings auch hier schon unterschiedliche Motive unterschiedlich bewertet. Diese Bewertungsnormen sind gegebenenfalls hinterfragbar.
Darüber hinaus kann man Gewalt sicherlich auch noch weiter fassen. Beleidigungen, Üble Nachreden, herablassende und würdeverletzende Verhaltensweisen haben einen gewaltähnlichen Charakter.
Der Feminismus fasst in der Regel den Gewaltbegriff in diesem Sinne sehr weit und setzt auch Gewalt im engeren, eigentlichen Sinne der Gewalt im weiteren Sinne gleich.
Gewalt übt ein Mann da z.B. (für die meisten Feministinnen und Feministen) auch schon aus, wenn er beispielsweise Pornographie „konsumiert“. Zum einen „reduziert er Frauen auf die Rolle des Sexualobjekts“ und verletzt damit gravierend deren Würde und kultiviert auch ein entsprechendes Frauenbild, das dann „auch nur einen kleinen Schritt weg ist, vom Frauenbild des Vergewaltigers“. Zum anderen werden Pornodarstellerinnen entwürdigt, weil sie „gedrängt oder gezwungen“ werden, sich als Sexualobjekt darzustellen.
Mit einer ähnlichen Logik kann es sogar passieren, dass ein Mann, der nur hin und wieder gern zur Seite blinzelt, entsprechend als Problem gesehen wird.
Es gibt viele ähnliche männliche Verhaltensweisen, die schnell als „Gewalt“ dargestellt werden.
Dieses weit-Fassen des Begriffs Gewalt ist aber einseitig. Die von mir hier mehrfach dargestellte Scheinheiligkeit im weiblichen Verhalten Männern gegenüber ist dann natürlich keine „Gewalt“, auch wenn das Kriterium des sich-entwürdigt-und-herabgesetzt-Fühlens auch hier klar gegeben ist. (Übrigens auch Pöbeleien, Beleidigungen, Üble Nachreden, Herabsetzung durch lächerlich-Machung sind hier so selten nicht).
Der Trick ist hier aber: die einen Wertmaßstäbe gelten, die anderen nicht.
Und Wertmaßstäbe spielen bei einem sehr weit gefassten Gewaltbegriff eine große Rolle.
Es ist sehr fraglich, ob es sinnvoll ist, die Gewalt im engeren Sinne mit der Gewalt im weiteren Sinne gleichzusetzen – weil sie eben nicht das Gleiche ist, nur etwas ähnliches.
Und in Bezug auf die Gewalt im weiteren Sinne, muss eben danach gefragt werden dürfen, wessen Wertmaßstäbe da gelten sollen und wessen Wertmaßstäbe nicht.
Feministisches Denken tendiert dazu, „femizentrisch“ alles als Gewalt dazustellen, was Frauen irgendwie „nicht nach der Mütze ist“, während Männer natürlich eine entsprechende umgekehrte Gewaltdefinition nicht zugebilligt wird.
Sexuelle Scheinheiligkeiten in verschiedenen zum Teil auch ziemlich aggressiven Formen bedeuten mMn z.B. auf jeden Fall und ganz deutlich Herabwürdigung und Herabsetzung für die Opfer dieser Scheinheiligkeiten. Solche Scheinheiligkeiten hat es traditionell auch gegen Frauen gegeben. Heute gibt es diese mMn überwiegend gegen Männer – und gerade der Feminismus hält diese für legitim.
Was moralisch ist, kann man ganz gut klären am Grundsatz: „Was Du nicht willst, was man Dir tu‘, das füge auch keinem anderen zu.“ (als quasi Volksausgabe des Kant’schen Kathegorischen Imperativs)
Ich glaube allen Ernstes, dass Frauen – gerade im hier genannten Sinne – weit weniger von Männern so behandelt werden wollten, wie sie oft Männer behandeln, als umgekehrt Männer Problem damit hätten, wenn Frauen sie so behandeln würden, wie Männer Frauen behandeln. Frauen/ Feministinnen sind im Denken (und Fühlen!!!) oft extrem egozentrisch.
Und so egozentrisch ist dann auch das Gewaltverständnis.
Entweder man sagt: Gewalt ist nur Gewalt im eigentlichen und engeren Sinne (und die ist zu verurteilen) oder man fasst Gewalt weiter, dann muss man aber auch danach fragen, was die andere Seite „stört“.