Verletzt Sexualität die Menschenwürde?

Dass Menschen Menschen nicht zum Mittel machen sollen ist auch ein populär gewordener moralischer Grundsatz aus der Kant’schen Philosophie. Für den Feminismus ist dieser Grundsatz der Anknüpfungspunkt dafür, das Männer Frauen „nicht zum (Sexual-)Objekt degradieren“ sollen.

Die moralische Forderung, Menschen nicht zum Mittel zum machen, ist mMn eine ziemlich weitreichende, in der Realität – insbesondere in der Realität von „freien Märkten“ und der dazugehörigen Arbeits- und Konsumwelt – kaum irgendwo erfüllte.

Es mutet etwas merkwürdig an, ist aber bezeichnend, dass man einen solchen Grundsatz im Allgemeinen ziemlich links liegen lässt, sich im Bereich der Sexualität aber relativ schnell daran erinnert.

Zum andere ist dieser Grundsatz aber auch relativ schwierig in der Definition seiner Gültigkeit.

Soweit mir bekannt ist hat – zum Bereich Sexualität – Kant selbst z.B. die Selbstbefriedigung als ein sich-selbst-zum-Mittel-machen und damit würdeverletzend in Bezug auf die jeweils eigene Würde bezeichnet (vgl. Wikipedia: Selbstbefriedigung).

Prinzipiell entsprechend wird eben heute vielfach – u.a. vom Feminismus – gegen bestimmte Formen von Sexualität argumentiert, sie machten eben Menschen zum Mittel und verletzten damit die menschliche (weibliche) Würde. Die Grenzen sind da meist vage definiert. Selbstbefriedigung wird allerdings heute kaum noch so bewertet, wie Kant das oben getan hat.

Meist redet man davon, dass Sexualität im Zusammenhang mit „Liebe“ als legitim gelten sollte – darüber hinaus hat man doch im Schnitt eher immer noch Probleme. „Liebe“ ist aber auch unklar definiert und – z.B. im Feminismus – nicht unumstritten.

Wie ernst es der Welt heute WIRKLICH mit der „Liebe“ ist, ist auch so eine Frage. Auch da kann man (und frau!!!!!!) (auch jenseits des Bereichs des Sexuellen) Menschen zum Mittel machen und das mit dem schönen Wort „Liebe“ einkleiden. (Menschen sind heute sehr erwartungsreich und die romatische Bedingungslosigkeit der „Liebe“ doch in Wahrheit sehr selten.)

Wieviel Sex darf denn auch jetzt innerhalb einer „Liebe“ sein, ohne dass man (oder frau!!!!) sagt, dass es so dann keine Liebe mehr ist? Wieviel Sexualität darf beim Entstehen einer Liebe eine Rolle spielen? Sollte man (darf man) Menschen zur Liebe zwingen, weil sie ja doch begehren? – Unsicherheiten über Unsicherheiten – die dann letztlich dazu führen, dass (jedenfalls sexuell) ganz wenig wirklich letztlich gestattet ist.

Ich bleibe dabei: Nennenswerte Sexualität (=Trieb) gibt es nicht ohne Sexualobjekt (ob innerhalb oder außerhalb der „Liebe“). Und diese Sexualität gehört genauso fest zu vielen Menschen und zur Menschlichkeit wie manches andere. Menschenwürde kann auch gerade durch Sexualunterdrückung und insbesondere sexuelle Scheinheiligkeit mehr als mit Füßen getreten werden!

Ganz sicherlich sollte man, wenn man sich begehrt, nicht vergessen, dass das Objekt des Begehrens auch ein Mensch ist und eben nicht NUR Objekt des Begehrens. Aber diese Einschränkung würde ich relativ streng fassen.

Es ist klar wünschenswert, dass man menschlich und liebevoll miteinander umgeht (wenn auch kaum realisiert). Aber ich glaube nicht, dass viel letztlich doch nur scheinheilig-sexualmoralischer Zeigefinger dazu führt.

 

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