Die Genese der traditionellen Geschlechterrollen

Dazu gibt es im Wesentlichen in Deutschland zwei grundunterschiedliche Theorien: die feminismuskritische von Esther Vilar, die von vielen neueren feminismuskritschen Positionen ganz oder teilweise übernommen wird, und die feministische von Alice Schwarzer u.a.
 
Für Esther Vilar entstanden und funktionierten diese Geschlechterrollen vor allem durch die weibliche sexuelle Erpressung des Mannes: dafür, dass die Frau dem Mann kontrolliert und wohldosiert in bestimmten Abständen die Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse gestattet, verlangt sie vom Mann, dass er die Frau (und die Kinder) versorgt und ernährt und auch bei Bedarf gegen Aggressionen von Außen verteidigt, für sie Verantwortung übernimmt und auch darüber hinaus zu so einigen einseitigen Zugeständnissen bereit ist.
 
Dabei ist also gerade die Frau die Mächtige und diejenige, die dem Mann die traditionelle Rolle zuweist und nicht etwa umgekehrt. Gerade der Mann wird hier ausgebeutet, weil er für die Frau arbeiten muss, während die Frau sich auf dem Rücken des Mannes ein verhältnismäßig leichtes Leben genehmigt und von allen harten Pflichten entbunden ist.
 
Für den Feminismus von Frau Schwarzer und anderen haben die Männer in der Geschichte sich in irgendeiner Weise zusammengetan und dann die Frauen erfolgreich systematisch unterjocht, um diese auszubeuten – und das dann über Jahrtausende und weitgehend weltweit.

Wie das funktioniert haben soll, wird kaum erklärt. Und gerade von diesem Punkt aus betrachtet, erschien mir diese Theorie immer unplausibel: Warum haben die Frauen, die ja nun nicht wesentlich allgemein schwächer als die Männer sein sollen oder auch sind, sich denn unterjochen lassen? Was hat den Männern/ der „Männergesellschaft“ denn diese Macht gegeben. Warum sollen Männer zusammengehalten haben und Frauen nicht?

Die Theorie von Vilar erklärt die Macht der Frauen, die feministische Theorie erklärt die behauptete Macht der Männer (also wie sie entstanden sein soll) kaum – oder zumindest in meinen Augen nicht plausibel.

Für plausibel halte ich tatsächlich, das der ursprüngliche Effekt der ist, den Vilar beschreibt. Das „Steinzeitweibchen“ hat als das umworbene und umkämpfte Geschlecht dem Steinzeitmännchen (vor allem natürlich auch sexuell) den Vorzug gegeben, dass ihr die dicksten Fleischbrocken in den Höhle schleppt und auch den Eindruck erweckt, sich und andere gut verteidigen zu können. Auf der Grundlage dieses Prinzips hat sich dann die traditionelle Rollenverteilung immer weiter ausgebildet: der Mann als Ernährer, als der starke, sich in der feindlichen und gefährlichen Außenwelt behauptende, der Beschützer usw.

Zunächst mal hat diese Rolle, ähnlich wie Vilar es beschreibt, natürlich mehr Nachteile als Vorteile: sie ist viel anstrengender, bringt viele (auch Lebens-)Gefahren mit sich, erfordert viel Mut, den auch Männer vielleicht nicht unbedingt von Geburt an haben, der Erfolg in dieser Rolle ist nicht automatisch, Misserfolg möglich und hat unter Umständen drastische Konsequenzen.

Dass Männer sich diese Rolle völlig freiwillig gesucht haben, halte ich für sehr unwahrscheinlich.

Aber im Laufe des Zivilisationsprozesses (nicht mehr instinktgebundenes, sondern zunehmend reflektiertes Handeln) könnte die Rolle dann ziemlich schnell von einem Nachteil zu einem Vorteil geworden sein.

Denn mit zunehmendem Bewusstsein müsste klargeworden sein, dass diese männliche Rolle eine sehr viel wichtigere, bedeutsamere und nötigere (für die Ernährung, die Verteidigung, für die Befriedigung von allgemeinen Lebensbedürfnissen) ist und damit mit mehr Renommee ausgestattet werden muss, als die Rolle der Frau, die nur „Restaufgaben“ übernimmt – die im Prinzip notfalls „jeder“ erledigen könnte.

Und das wäre dann nach meiner Theorie der Umschlagpunkt, ab dem die Frau dem Mann gegenüber tatsächlich tendenziell eher den kürzeren gezogen haben dürfte.

Denn eins müsste klar sein: etwa am Anfang des letzten Jahrhunderts, auch in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts war die Position der Frau eine nicht unbedingt in jeder Hinsicht für sie günstige. Eine ähnliche Aussage gilt auch für Frauen in bestimmten Regionen Indiens, wo sie als möglicher Mitgift-Kostenfaktor und ansonsten nutzlos betrachtet schon als Mädchen ermordet werden. Usw. usw…. – Der Feminismus kann eine lange Liste von tatsächlichen z.T. scharfen Diskriminierungen von Frauen in der Welt und in der Geschichte vorlegen.

Man kann da eins klar nicht sagen: dass diese hier beschriebenen Frauen im Sinne Vilars die eigentlich Mächtigen den Männern gegenüber waren oder sind.

Allerdings: die Welt ist nicht homogen. Und die Verhältnisse etwa im traditionellen Indien ähneln kaum den Verhältnissen in der heutigen „westlichen Welt“.

Festzuhalten bleibt mMn, dass es ein spezifisches weibliches Machtpotential Männern gegenüber gibt, das einen bestimmten Mechanismus hat – und das grundsätzlich auch das Zeug hat, zu einer Männerdiskriminierung (und wenn vielleicht auch nur in Teilbereichen) zu führen.

Festzuhalten bleibt auch, dass, wenn die hier formulierte Theorie recht hat, die Frau nicht das reine Opfergeschlecht und der Mann das reine Tätergeschlecht (der Schuldige) der Geschichte ist. Vielleicht sind die Geschlecherrollen quasi zwischen den beiden Geschlechtern entstanden, vielleicht kommt sogar der Frau mit ihrer angestammten (genentisch geprägten??) Verhaltensweise die größere Verantwortung für das entstanden-Sein der „traditionellen“ Geschlechterrollen zu.

Wie gesagt: ich erinnere an das „Steinzeitweibchen“, dass dem Steinzeitmännchen mit den größeren herbeigeschafften Fleischbrocken den Vorzug gibt. (Und dieses Verhaltensgrundprinzip ist ja beileibe nicht nur auf die Steinzeit beschränkt.)

 

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Ergänzung:

Es gibt dazu einen recht aufschussreichen Tierversuch mit Schimpansen, von dem ich in meinem Studium einst immer wieder gehört habe (genaue Quelle kann ich jetzt aber nicht angeben – vielleicht kann mir da jemand helfen?). Durchgeführt hat den Versuch meiner Erinnerung nach der Herr SKINNER, der sich ja als quasi der Erfinder der Theorie des BEHAVIORISMUS einen Namen gemacht hat. Das hier geschilderte Ergebnis des Versuchs war aber rein zufällig – hat also nichts direkt mit Behaviorismus zu tun.

Schimpansen sind ja übrigens Tiere, die Wissenschaftler als in den Genen den Menschen sehr nahe sehen.

Schimpansen also – männliche und weibliche – bekamen die Aufgabe, eine bestimmte „Arbeit“ zu erledigen und erhielten als Belohnung dafür eine bestimmte Menge an Rosinen (offensichtlich bei Schimpansen beliebt).

Nun stellte man überrascht fest, dass die männlichen Schimpansen ziemlich „ranklotzten“ und dafür auch viele Rosinen erhielten, während sich die weiblichen Schimpansen diesbezüglich sehr zurrückhielten und sich vorwiegend um sich selbst und um ihren Nachwuchs kümmerten.

Für die Forscher stand nun die Frage nach der Ursache für diesen Effekt im Raum: Sollten weibliche Schimpansen genetisch dümmer sein. Mögen weibliche Schimpansen aus irgend einem Grund keine Rosinen…

Erst nach einer Weile kam man darauf, dass die männlichen Schimpansen die weiblichen Schimpansen mit Rosinengeschenken zu „becircen“ versuchten – also um es deutlicher zu formulieren: mit den Rosinen versuchten, sich die sexuelle Gunst der Weibchen zu erkaufen. Und genau aus diesem Grund hatten es die Weibchen nicht in dem Maße nötig, sich anders um Rosinen zu bemühen

Also hat sich hier im Versuch bei Schimpansen so etwas wie das traditionelle Geschlechterrollenverhalten beim Menschen entwickelt – auf der Basis von genetisch geprägten sexuellen Rollenverhaltensweisen.

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