Scheinliberale Sexualmoral

Die Sexualmoral in unserer Gesellschaft ist schein- bzw. pseudo-liberal. „Coolness“ ist zwar erste Bürgerpflicht – ganz besonders bei jüngeren – aber wer „cool“ ist kann (und darf ) nicht „heiß“ sein. Im wesentlichen sind die Menschen heute stark narzißtisch – also massiv auf Geltung, Selbstwertgefühl, „Selbstverwirklichung“ u.ä. hin – orientiert und weniger auf – sexuelle oder auch nicht-sexuelle – Lust (eben entsprechend der Freud’schen Theorie des Narzißmus).

„Coolness“ heißt natürlich auch, dass man nachdrücklich nach außen Liberalität vorgaukelt. Aber ein offenes, ehrliches, aufrichtiges Verhältnis zur eigenen Sexualität oder gar zur Sexualtät der anderen ist nicht wirklich vorhanden.

So darf Sexualität z.B. auf gar keinen Fall wichtig sein. Man unterdrückt es, dass einem die eigene Sexualität wirklich wichtig wird bzw. vermeidet nach außen diesen Eindruck zu erwecken, und man verurteilt es selbstverständlich ganz besonders, wenn anderen Menschen Sexualität („zu“) wichtig ist. Dabei gehört es durchaus zur Natur (durchschnittlich ausgeprägter) Sexualität, wichtig sein zu wollen. Von der Natur her hat die Sexualität bzw. der Fortplanzungstrieb eine beherrschende Vorrangigkeit, die sich auch über alle möglichen Widerstände hinwegzusetzen versucht. (Entsprechendes kann man ja auch bei Freud nachlesen.)

Sexualität, die nicht wichtig sein darf, prizipiell nur „Nebensache“ zu sein hat, darf „eigentlich“ gar nicht sein.

Ich will damit überhaupt nicht sagen, dass sich alles nur um „Sex“ drehen muss oder dass sich in allen möglichen Lebenbereichen sexuell betätigt werden muss. Vielleicht wird in unserer Gesellschaft sogar viel zu viel über „Sex“ geredet und viel zu viel „drumrumgemacht“ (eben, um den Eindruck der heiligen „Coolness“ zu erwecken). Vielleicht zu viel wird nachgeäfft, was irgendwelche Popstars (oder evl. auch die Pornographie) vormachen oder vorgaukeln.

Aber dann, wenn natürliche sexuelle Bedürfnisse bei Menschen unverstellt auftreten, müssen sie auch leidlich sein dürfen. Begehren – und das macht Sexualität aus – muss sein dürfen. Scheinheiligkeit und Doppelmoral darf nicht legitim sein – und ist es heute immer noch in hohem Maße. Es geht dabei um Freiheit und schlicht um Ehrlichkeit.

Die „Würde“ von Menschen wird mMn durch nichts mehr unterminiert als durch die Scheinheiligkeit und Doppelmoral und durch die erzeugten Schuldgefühle.

Ein ganz beliebter Spruch beim heutigen Menschen ist: „Ich finde Sex im Grunde langweilig. – Ein Orgasmus dauert ja sowieso im Höchstfall nur … Sekunden.“ (oder so ähnlich) – Suggeriert wird damit in erster Linie natürlich die Coolness, der Eindruck „alles schon durch zu haben“ und – eben ganz entscheidend – dass „Sex einem nicht wichtig ist“.

Ich würde sagen: wer tatsächlich sexuell so schwach veranlagt ist, dass man diesen Spruch aufrichtig so sagen kann (und das mag’s und soll’s auf jeden Fall geben!) – der ist selbstverständlich nicht zur sexuellen Betätigung gezwungen: der soll „es“ schlicht bleiben lassen – aber die anderen in Ruhe lassen, die diesen Spruch eben so nicht unterschreiben mögen. Und genau an der Stelle ist da der entscheidende Haken!

Ich glaube, meist ist dieser Ausspruch eben unaufrichtig (möglicherweise auch unaufrichtig sich selbst gegenüber). Und das zeigt sich spätestens am meistens vorhandenen „Sendungsbewusstsein“ bzw. der mehr oder weniger boshaften Scheinheiligkeit dem Mitmenschen gegenüber, der Sexualität eben nicht – wie geboten – so verdammt unwichtig finden mag.

Nebenbei ist allerdings auch nicht auszuschließen, dass Menschen, die so daher reden, auch „etwas falsch machen“ – wahrscheinlich eben gerade, weil sie der eigenen Sexualität in Wahrheit sehr unaufgeschlossen gegenüberstehen, sie sich nicht oder tatsächlich nur sehr begrenzt gestatten.

Über das, was die Franzosen den „kleinen Tod“ nennen, redet man jedenfalls so nicht.

Wie hier an anderer Stelle schon betont, ist die aktuelle Sexualmoral in unserer Gesellschaft von der feministischen Sexualmoral bestimmt. Diese feministische Sexualmoral ist aber auch ganz gut in eine allgemeine entsprechende (traditionelle) Sexualmoral eingebettet.

Allerdings sind es natürlich klassischerweise und im besonderen Maße Frauen, die z.B. meinen, Männern die (ihrer Meinung nach zu große) Wichtigkeit des Sexuellen zum Vorwurf machen zu dürfen.

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